Dienstag, 12. November 2013

Kushi


In der Zeit, in der ich jetzt schon wieder hier bin, habe ich gelernt , was echte Freude ist. Ich habe das Gefühl, dass es zu Hause kaum noch aufrichtige Freude gibt. Es liegt einfach daran, dass wir alles haben und machen können. Ich habe das Gefühl, dass wir in diesem Überfluss nichts mehr richtig wertschätzen können. Dass unsere Träume an die Grenzen des Unmöglichen stoßen und wir nie mit dem zufrieden sind, was wir haben und immer noch nach Besserem streben. Und in diesem Streben vergessen wir, uns wirklich über Dinge zu freuen. So ging’s mir jedenfalls.
Diese pure Freude habe ich ein paar Tage nach Deepavali erlebt. Ranju erzählte mir von ihrem Wunsch, irgendwann mal zu KFC zu gehen. Ich fragte sie, warum sie sich diesen Wunsch noch nicht erfüllt hatte. Nach allem, was sie gehört hatte, war KFC für sie zu einer Art Mythos geworden. Aber sie traute sich nicht einfach so dorthin zu gehen, in diese andere Welt, in der sie sich selbst so fremd fühlte. Als ich ihr vorschlug, am Abend mit ihr und Divya dem Mythos auf den Grund zu gehen, lehnte sie verlegen ab. "Ich bin doch nur ein Mädchen vom Dorf, das ist da alles zu schick für mich"
Aber anscheinend ließ sie diese Idee nicht mehr los und so machten wir uns zu dritt an einem Abend auf zu KFC, das nur einen Katzensprung entfernt an der Hauptstraße gelegen war. Ranju und Divya waren ganz aufgeregt und machten sich extra hübsch. Sie waren so voller Vorfreude, dass sie selbst mich damit ansteckten. Ich war selbst noch nie bei KFC gewesen und nun hatte auch ich das Gefühl, es sei etwas besonders Außergewöhnliches.
"Tanja, du gehst vor!" Auch ich war ein wenig verlegen als wir das fast leere Restaurant betraten. Aber als die Frau am Schalter freundlich unsere Bestellung aufnahm, legte sich dieses Gefühl. Während wir auf unser Essen warteten, suchten Ranju und Divya gewissenhaft unseren Tisch aus. Es sollte alles perfekt sein und schließlich saßen wir an einem Ecktisch und genoßen das Chicken und den kalten Kaffee, der eine besondere Attraktion für die beiden war.
Auf dem Weg nach Hause stellten wir zwar fest, dass das Chicken nichts großartig besonderes war, aber es war immer hin Kentucky Fried Chicken. Den ganzen restlichen Abend gab es kein anderes Thema und allen Anrufern wurde ausgiebig von dem Abenteuer KFC erzählt. Ich freute mich darüber, dass ich den beiden eine Freude gemacht hatte.
Ich fragte sie, ob sie glücklich seien. Die beiden unterbrachen ihr aufgeregtes Wasserfallgerede, sahen mich mit leuchtenden Augen an und sagten nur  "yes, full kushi!" 

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