Dienstag, 12. November 2013

Das Lichterfestival


Es fühlte sich an wie Weihnachten aus meiner Kindheit. Tagelang war einziges Gesprächsthema das große Fest und mit Freude erwartete ich, dass es endlich soweit sein würde.
Ich hatte Deepavali (Deepa-Kerze, also Lichterfestival) schon letztes Jahr miterlebt, aber am gleichen Tag hatten wir unsere erste DanceShow, weshalb ich das Fest nur vom Fenster eines Busses aus bewundern konnte. Diesmal sollte es eine ganz andere Erfahrung werden. Ranju, Harishs Schwester, und Divya, mit denen ich im Moment hier in Bangalore wohne, steckten mich mit ihrer Vorfreude an. Deepavali ist eines der größten Hindu-Festivals und so fühlte es sich für mich auch an. Am Abend vorher ließ ich mir erklären, wie sie zu Hause mit ihren Familien das Fest feiern würden.
Ganz früh morgens wird der ganze Körper mit Öl eingerieben und danach wird ein heißes Bad genommen. Danach werden alle gesegnet mit Kerzen und Kumkum und dazu gibt es Gulab Jammun, eine Süßigkeit. Zu Deepavali tragen alle neue Kleider und am Abend wird Feuerwerk gezündet. Sobald es dunkel wird, werden außerdem um das ganze Haus herum Kerzen aufgestellt, was dem Fest seinen Namen gibt.
Ranju ist keine Frühaufsteherin und Gulab Jammun mag sie auch nicht. Also wandelten wir das ein bisschen ab. Nach einer kurzen Dusche machten wir uns beide fertig, nicht mit neuen, aber den schönsten Kleidern, die wir hatten. Zuerst machten wir uns auf dem Weg ins Krankenhaus. Die alte Vermieterin von Ranju hatte ein Kind bekommen, das wir nun bestaunen und zu dem wir die Eltern beglückwünschen wollten. Auf dem Rückweg kauften wir Blumen für Gott und dekorierten den Schrein zu Hause entsprechend. Anlässlich des Feiertages schmückten auch wir uns mit Blumen. Ich liebe es, wenn indische Frauen Blumen im schwarzen gestriegeltem Haar haben. Dieser Duft von Jasmin wird mich immer an die Schönheit der Inderinnen erinnern.
Außerdem beschlossen wir zur Feier des Tages Payasa zu machen. Manche von Euch haben mich vielleicht schon von Payasa schwärmen hören, aber ich werde nie müde mit Begeisterung von dieser Köstlichkeit zu sprechen. Payasa ist eine Art Brei, bestehend aus Milch, feinen Nudeln, einer Unmenge Zucker, Cashewkernen, Rosinen, einer Art Sago und Kardamom. Es gibt unendlich viele Rezepte und ich habe unendlich viele davon schon probiert. Als quasi-Spezialist konnte ich also die Güte unseres vorzüglichen Payasas durchaus schätzen :) Mmh schon allein der Gedanke daran lässt mir wieder das Wasser im Mund zusammenlaufen. Hahaha.
Später kamen noch Freunde vorbei, mit denen wir einen schönen Nachmittag verbrachten. Als sie sich auf den Heimweg gemacht hatten und es allmählich dunkel wurde, beteiligten wir uns ebenfalls am Feuerwerksspektakel, das bereits am Tag zuvor begonnen hatte. Ranju hatte von ihrem Chef ein paar Wunderkerzen, Fontänen und Feuerkreisel geschenkt bekommen. Zusammen mit den netten Typen aus dem Erdgeschoss zündeten wir diese. Alle wünschten sich "Happy Diwali" und Sweets wurden ausgetauscht. Anscheinend schmeckte ihnen unser Payasa auch, wie gesagt ich kann die Güte von Payasa mittlerweile schon sehr gut einschätzen (in schwelgender Erinnerung an die Payasa-Skala, die ich zusammen mit Jana aufgestellt hatte).
Den restlichen Abend verbrachten wir auf unserem Treppenabsatz, von wo aus wir sowohl das Feuerwerk in unserer Straße als auch die bunten Explosionen am schwarzen Nachthimmel bewundern konnten. Die Bangaloreaner fuhren zu Höchstleistungen auf. Es war keine einzige Sekunde still, der Geruch von Silvester zog durch die Straßen und der Himmel schien nicht genug für die unzähligen Sternenschauer.
Als die Kinder aus der Straße in ihren Betten verschwunden waren, legten die großen Jungs erst richtig los. Unsere neuen Freunde aus dem Erdgeschoss hatten Freunde eingeladen. Die Straße war schon bald erfüllt von ohrenbetäubendem Krachen und herzerschütternden Explosionen und dem ausgelassenen Lachen der Männer, die sich freuten wie kleine Jungs. Es war wirklich witzig, ihnen zuzusehen und sie fühlten sich anscheinend nur noch mehr angestachelt durch die drei Mädchen, die lachend an das Geländer des Treppenabsatzes gelehnt sehr leicht zufriedenzustellende Zuschauer waren.
Mit einem Gefühl, dass ich nur kannte wenn Heiligabend vorbei war. Einerseits große Zufriedenheit, aber auch Traurigkeit, dass es schon vorbei war. Aber genau wie Weihnachten nicht mit Heiligabend vorbei ist, war auch Deepavali noch nicht vorbei.
Am nächsten Tag hatte Ranju frei. Wir verbrachten einen schönen Tag zusammen, schwelgend in Erinnerungen an das Spektakel am Vortag. Am Nachmittag kam Divya dann von der Arbeit und überraschender Weise auch unser neuer Freund Rajesh aus dem Erdgeschoss. Er brachte die Payasa-Schüssel zurück und wir quetschten ihn aus. Wo er herkomme, was er so mache, wie ihm Deepavali gefiele und wer diese ganzen Freunde waren…
Ranju und ich hatten Deepas gekauft, kleine Tonschälchen, die mit Öl gefüllt und einem getränkten Docht angezündet werden konnten. Diese platzierten wir auf unserem Fensterbrett und so war Deepavali perfekt. Mit einer Menge neuer schöner Erinnerungen, ein wenig tauben Ohren und ein paar neuen Freunden war es nicht gerade das traditionelle Deepavali, aber es war unser ganz eigenes. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen