Es ist
merkwürdig, wie sich Dinge verändern, wenn man sie in einer anderen Zeit, in
einer anderen Verfassung seiner selbst sieht. Ich habe den ganzen Tag im
botanischen Garten von Bangalore verbracht, eine der wenigen Sehenswürdigkeiten
der Stadt.
Dieser Garten
hat eine besondere Bedeutung für mich. Vor über einem Jahr war ich das erste
Mal hier. An meinem allerersten Tag in Indien. Das war eines der ersten Dinge,
die ich von dem Land zu sehen bekam. Ich erinnere mich daran, wie ich
verwundert feststellen musste, dass dieser Park, gepflegt, ruhig und idyllisch,
keinesfalls den wenigen Vorstellungen entsprach, die ich mir von Indien gemacht
hatte. Nach der langen Reise und einer Ungewissheit über den Verlauf der Dinge,
gab mir dieser Park ein wenig Luft zum Atmen, zum Durchatmen, bevor ich mich
wieder ins bunte Getümmel des indischen Lebens warf und mich auf den langen Weg
nach Kundapur machte.
Ich weiß noch,
wie wir durch den Park liefen, ständig von indischen Familien fotografiert
werden wollten und uns an der Vielfalt der Botanik erfreuten. Das erste Schöne,
das ich in Indien sehe, dachte ich damals. Der Weg vom Flughafen zu unserem
Guesthouse hatte diesen Titel wahrlich nicht verdient.
Heute also, mehr
als ein Jahr später, wanderte ich wieder durch den Garten und war überrascht
wie schön mir dieser Garten auch jetzt noch vorkam. Mit völlig anderen Augen
betrachtete ich die bunten Blumen, die riesigen Bäume und die Streifenhörnchen,
die an ihnen empor kletterten. Noch mehr als damals wusste ich die Sauberkeit
und die Ruhe nun zu schätzen und war verzaubert von dem Glitzern des Sees und
den breiten Alleen gesäumt von Bänken mit Pärchen, auf die durch dichtes
Blätterdach vereinzelte Sonnenstrahlen fielen.
Die Menschen
kamen mir weniger fremd vor als an jenem Tag, an dem ich in der Fremde ankam.
Ihnen muss es genauso gegangen sein, denn niemand wollte ein Foto mit mir.
Worüber ich ehrlich gesagt sehr froh, aber nicht überrascht war. Ich sah ihnen
wahrscheinlich zu indisch aus, als dass ich es wert gewesen wäre ein Foto mit
ihnen zu zieren. Hahaha, zum Glück.
Dennoch
versuchte ein kleiner Junge verzweifelt, mir ein Trinkpäckchen für den
fünffachen Preis zu verkaufen. Als er den Preis nannte, sah ich förmlich wie
blöd er sich dabei vorkam. Ich scherzte mit ihm, verschmähte aber dennoch sein
Trinkpäckchen. Der Arme tat mir Leid und ich hätte ihm das Ding sogar
abgekauft, aber nicht für diesen Preis. Ich lachte nur und auch er musste
grinsen.
Eigentlich war
ich gekommen, um ein wenig zu zeichnen, meine Gedanken schweifen zu lassen und
ein bisschen indisches Leben auf dem Papier festhalten zu können. Aber dazu kam
ich nicht. Geschlagene 10 Minuten starrte ich mit dem Stift in der Hand auf
mein Blatt, dann wieder in die Gegend, um schließlich einsehen zu müssen, dass
es heute nichts mehr werden würde.
Stattdessen gab
ich mich meiner Times of India hin, die aus mehr Werbung als aus wirklicher
Information bestand. Die Seite über Globales bestand ebenfalls zur Hälfte aus
Werbung, Neuigkeiten aus Syrien waren in einen fünfzeiligen Text an den Rand
gequetscht. Ein wenig enttäuschend, aber nicht ärgerlich, da ich weniger als 10
cent dafür hatte bezahlen müssen. Vielleicht habe ich bei der nächsten Zeitung
mehr Glück.
Ich verbrachte
also den Tag lesend, Tagebuch schreibend und die Leute beobachtend. Meine
Gedanken schweifen zu lassen, bekam ich auch ohne Zeichenblock auf die Reihe.
Unter dem hoch über mir leise rauschenden Dach der Blätter, dachte ich viel
nach und verfiel zuerst Hoch- dann Schwermut, um letztendlich beschwingten
Schrittes und leichten Gemüts den Park zu verlassen.
Auf dem Rückweg
ließ ich mich vor dem Post Office absetzen, dankte dem Rikshafahrer freundlich
und fand es mehr als einfach, Briefmarken zu kaufen und sie mit dem braunen
widerspenstigen, übelriechenden Kleber auf die Briefe zu batschen.
Auf dem Weg nach
Hause, fühlte ich mich wirklich geborgen in dieser Stadt. Auch wenn es
immernoch ein bisschen schwierig ist, die Straße zu überqueren ohne sich vor
den aufheulenden Motoren und den wie irre rasenden Fahrzeuge zu fürchten. Aber
allmählich lerne ich die Stadt besser kennen und habe kaum noch
Schwierigkeiten, mich in ihr zurecht zu finden. Auch wenn es hier laut und
dreckig ist, ich genieße den Duft der Großstadt, den Duft nach Freiheit.
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