Montag, 16. Dezember 2013

indisches Frühstück



Da ich versuchen will, Euch einen möglichst umfassenden Einblick in das indische Leben zu geben, muss ich nun auch einen Blogeintrag dem indischen Frühstück widmen.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich vor über einem Jahr auf dem Vorbereitungsseminar für die weltwärts-Zeit verzweifelt rauszufinden versuchte, was die Inder zum Frühstück essen. Ich konnte mir einfach keine Vorstellung davon machen, wie von so vielem anderen auch nicht. Die Leute, die ich dazu befragte, gaben mir nur wenig befriedigende Antworten und Rumgedruckse.
Also versuche ich nun mein Glück, es Euch zu erklären. Jetzt im Nachhinein sehe ich durchaus auch wie schwierig das ist. Verzeiht mir daher, wenn Ihr diesen Eintrag auch ein bisschen rumgedruckst findet.
Zuerst einmal ist das indische Frühstück selten süß und auch hier können die Inder oft nicht auf ihren geliebten Reis verzichten. Es gibt Dosa, das sind Fladen aus Reismehl und Wasser. Entweder gibt es dazu Sambar, eine Soße aus Gemüse, oder Chutney, eine breiartige Masse aus Kokusnuss, Gewürzen und Wasser. Meine Aunty hat mir damals sogar manchmal Fisch Curry dazu serviert. Dosa gibt es in vielen verschiedenen Arten. Je nachdem, was noch in den Dosateig gemischt wird, sind sie dick, süß, grün oder andersartig. Außerdem können sie zu Masala Dosa gerollt mit einer Kartoffel-Zwiebel-Matsche gefüllt werden. Oder als Paper Dosa weit über den Tellenrand hinausreichen. Im Onion Dosa findet man manchmal kaum noch das eigentliche Dosa vor lauter Zwiebeln. Es gibt wie gesagt viele Variationen.
Des Weiteren gibt es noch Idly. Das sind fluffige Reisbällchen, die aus dem gleichen Teig wie Dosa bestehen und gedämpft werden. Auch davon gibt es verschiedene Arten, die sich vor allem in der Konsistenz unterscheiden. Dazu isst man das Gleiche wie zu Dosa: Sambar oder Chutney. Idly gibt es meist in Kombination mit Wada. Das sind Reis-Kokusnuss-Ringe, die in einem Teigmantel fritiert werden. Tatsächlich sehen sie aus wie Donouts, mit einem Loch in der Mitte.
Außerdem gibt noch Puri, Weizenfladen fritiert, sodass sie sich aufblähen. Auch dazu Sambar oder Chutney. Oder beides. Diese sind ziemlich fettig.
Etwas, dass ich ganz besonders mag, sind Buns. Runde, süße, handgroße Fladen. Gemacht aus Joghurt, Weizen und noch anderen Dingen, von denen ich keine Ahnung hab. Dann fritiert gehen sie genauso auf wie Puri, sodass sie kugelrund sind. Besonders köstlich sind Banana Buns.
Meine Aunty hat manchmal kleine feste Reis-Kokusnuss-Bällchen gemacht, die sie Mudly nannte. Aber ich hab diese woanders auch schon unter anderem Namen gegessen. Sie bestehen fast nur aus Kokusnuss und bei meiner Aunty haben wir die immer in Tee eingetunkt.
Es gibt noch Avalakki, ein Gemisch aus flachgepressten Reisflocken, Kokusnuss und Jaggery (einer braunen Masse, vermutlich aus Zuckerrohr, die unglaublich süß ist und für viele süße Spezialitäten hier verwendet wird). Diese Zutaten werden gemixt und wenn das Avalakki dann zu trocken ist, kippt man einfach ein bisschen Tee dazu. Das hab ich jedenfalls immer so gemacht.
Etwas ähnliches wie Avalakki ist Uppittu. Das ist ein wenig wie Grieß, wahrscheinlich ist es aber wieder irgendeine Abwandlung von Reis. Auch Uppittu kann auf verschiedene Arten zubereitet werden.
Und schlussendlich essen manche auch einfach Reis zum Frühstück. Auf verschiedene Arten zubereitet und in Konsistenz, Geruch , Farbe und Namen varierend. Reisbath, Puliogare und vieles mehr. Natürlich kann man auch das Gleiche wie zum Mittag und Abendessen verspeisen: Annasambar (Reis und Sambar).
Das allerwichtigste für viele Inder ist allerdings der Tee, der zu 50 % aus Zucker, zu 35% aus Milch oder Milchpulver und zu 15% aus schwarzem Tee zu bestehen scheint. Verfeinert werden kann er mit allerhand Gewürzen: Ingwer, Lemongrass oder Kardamom.
Ich hoffe, Ihr könnt Euch jetzt so einigermaßen vorstellen, wie das indische Frühstück aussehen kann. Es gibt bestimmt noch viel mehr, was ich vergessen oder noch nie gesehen habe. Deshalb wird Frühstücken in Indien immer eine aufregende Sache für mich bleiben. 

Sonntag, 8. Dezember 2013

Die Stecknadel


Situationen können sich innerhalb nur weniger Sekunden verändern. Meist kann sich später keiner mehr so richtig daran erinnern, wie es dazu kam. Im einen Moment ist es noch eine lustige ausgelassene Stimmung, im nächsten Augenblick herrscht Unsicherheit und Angst.
Hier nun meine Erfahrung aus dem indischen Krankenhaus, die ich niemandem wünsche. Jetzt fallt aber nicht gleich vom Stuhl. Im Nachhinein ist die Geschichte ziemlich lustig, also macht Euch keine Sorgen. Mir geht es wieder blendend.
Es war ein ganz normaler Nachmittag. Ich saß mit Harish auf dem Sofa und probte mit ihm sein Interview für die Visabeantragung. Nebenbei steckte ich ein Top ab, um es ein wenig abzuändern. Nach einer Weile wurde das Interview immer haarsträubender und Jyothi, die in der Küche herumwerkelte, und ich lachten herzlich über die Antworten Harishs. Als er dann schließlich mit ernster Miene erklärte, dass sein Vater und mein Vater eigentlich beste Freunde seien, konnte ich mich vor Lachen nicht mehr halten. Und da geschah es. Ich verschluckte die Stecknadel, die ich mit meinen Zähnen festhielt.
Ich merkte wie sie in meinem Hals hinunter glitt. Anfangs versuchte ich sie noch herauszuwürgen. Nachdem aber alle Versuche vergeblich waren und ich mittlerweile ein wenig Beunruhigung ob der spitzen Nadel in meinem Körper verspürte, beschlossen wir ins Krankenhaus zu fahren.
Die Notaufnahme des Manipal Hospitals, das nur wenige Minuten von unserer Wohnung entfernt war, war relativ leer. Und schon nahm sich eine nette Schwester meiner an, die halb erschrocken, halb belustigt auf die Nadel in meiner Hand schaute, als ich ihr erklärte, dass ich genau solch eine verschluckt hatte.
Sie brachte mich zum Röntgen. Auch der Arzt dort schaute mich verwundert an und der Vater einer kleinen Patienten deutete auf mich und sagte "Sieh mal, sie hat eine Nadel verschluckt, das ist noch schlimmer als bei dir". Ich lächelte dem Mädchen freundlich zu, das mich nur mit großen Augen ansah.
Harish und Ranju warteten rechts und links von mir sitzend auf den Arzt, der uns anhand der Röntgenbilder erklären sollte, wie es weitergehen sollte. Ich war nervös, aber Harish versuchte mich scherzend zu beruhigend.
Endlich kam der Arzt und sagte, es sei ziemlich ernst, weil die Nadel so spitz sei und sie mittlerweile im Magen war. Sie könnte jede Art von Schaden anrichten und er würde jetzt den Chirurgen kontaktieren. Mir war mittlerweile ganz schlecht vor Angst, was der Arzt wahrscheinlich in meinem Gesicht sah. Er sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, was mir nicht leicht fiel, da sein Gesicht genau meine Beunruhigung widerspiegelte.
Eine Weile später wurden wir in ein anderes Krankenhaus geschickt, weil der Gastrologe, der versuchen sollte, die Nadel mit einer Endoskopie zu entfernen, nicht erreichbar war.
Kurz nach halb zwölf kamen wir im anderen viel größeren und unheimlicheren Krankenhaus an. Dort kümmerte sich niemand so richtig um mich und als dann doch eine junge Ärztin mit unglaublich langen Haaren mit mir sprach und mir mitteilte, dass ich nach der Gastroendoskopie noch einen ganzen Tag lang dort bleiben sollte, fühlte ich mich wirklich schlecht. Ich hatte weder Schmerzen noch irgendwelche anderen Beschwerden, nur Angst. Ich war übrigens vorher noch nie im Krankenhaus gewesen, jedenfalls nicht für eine Behandlung. Mein Gefühl gegenüber Krankenhäusern, dass man dort so wenig Zeit wie möglich verbringen sollte, wenn es sich vermeiden ließ, verstärkte sich je länger ich dort war. Der Gastrologe sah mich noch nicht einmal an, als er mit uns darüber sprach, was nun zu tun war, obwohl ich ihn wohl besser verstand als Harish oder Ranju.
Erneut machten sie Röntgenaufnahmen und an der Scheibe drückten sich fünf weitere Ärzte die Nasen platt. Als ich wieder unnötiger Weise in den Rollstuhl komplementiert worden war, fragte mich einer von ihnen spöttisch, wie ich denn eine Stecknadel verschluckt haben konnte. Ich schaute in sein grinsendes Gesicht und sagte mit todernster Stimme "I swallowed it ACCIDENTLY" Blöder Arzt, ha ha sehr witzig. Mir war überhaupt nicht zum Scherzen zumute und ich hatte auch keine Lust, es noch tausend anderen Leuten zu erklären. Ich war eher mit meiner Angst beim Gedanken an die bevorstehende Endoskopie beschäftigt.
Ich hatte keine Zeit mehr mit Harish und Ranju zu reden. Sie hätten mir möglicherweise ein wenig meiner Angst nehmen können. Die Endoskopie war schrecklich, die ganzen 20 Minuten über, die mir wie mehrere Stunden vorkamen, hoffte ich, dass es endlich vorbei sein würde. Abgesehen davon, dass es nicht angenehm war, einen fetten Schlauch in den Hals geschoben zu bekommen, beunruhigten mich mehr die Kommentare der Ärzte. Der leitende Arzt ließ mehrmals verlauten "OH MY GOD!". Das heiterte mich so richtig auf. Nach dem, was ich mitbekam, hatten sie die Nadel dreimal gefasst, sie aber wieder fallengelassen. Das lief dann so ab, wie bei einem Sportevent.
"Now catch it!" -"come on, come on! Yeah, I got it..." Freudenrufe der Umstehenden. Gespannt hatten alle ihre Augen auf den Bildschirm geheftet. "slowly slowly, come on!" - "Uuuh SHIT!" Die Zuschauer stöhnten auf, der Catcher wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Ich war ein einziges Nervenbündel. Warum ließ der blöde Arzt die Nadel immer wieder fallen und schlimmer noch, warum sagte der andere Arzt ständig Oh my god. Ich war ganz schön sauer auf ihn, konnte er das mal lassen. Das trug nicht gerade zur Besserung meiner Stimmung bei.
Beim vierten Versuch schafften sie es endlich und ich war erleichtert diesen Schlauch endlich loszuwerden. Als sie sich alle aufgeregt über ihre geleistete Arbeit unterhielten und sich gegenseitig auf die Schultern klopften, war ich doch ein bisschen stolz auf sie. Der Arzt meinte nur zu mir "God bless you, it´s done". Anscheinend war es komplizierter gewesen als sie angenommen hatten.
Ich war zwar froh, dass die Nadel endlich draußen war, aber auch mit den Nerven ziemlich am Ende. Ich konnte kaum sprechen und Hari und Ranju machten sich Sorgen, dass irgendetwas schief gegegangen war. Mit schwacher Stimme sagte ich nur zu Harish "ich will nicht hier bleiben!" Zum Glück veranlasste der Arzt meine Entlassung.
Nun kam es mir nicht mehr allzu schlimm vor, dass sich alle darüber lustig machten. Ich konnte zwar immer noch nicht darüber lachen, als sie sagten, das sei eine sehr teure Stecknadel und ich solle sie unbedingt aufheben. Ich war einfach nur froh, dass es vorbei war.