Mittwoch, 27. Februar 2013

Lebenszeichen

Lang lang ist´s her, dass ich mich gemeldet hab. Ich habe schon viele besorgte Mails bekommen, wo ich denn stecken und wie es mir gehen würde.
Deshalb jetzt hier ein Lebenszeichen von mir!

Ich kann gar nicht alles beschreiben, was so in den letzten Wochen alles passiert ist. Einfach Leben ist passiert denke ich.
Ich kann Euch ja einfach mal einen typischen indischen Tag von mir beschreiben.
7.35 Uhr: Meine Aunty unterhält sich in voller Lautstärke mit ihrer Schwester, die im Nachbarhaus wohnt. Und das direkt vor meinem geöffneten Fenster. Grummelnd drehe ich mich um und versuche noch ein bisschen zu schlafen.

8.00 Uhr: Krachend öffnet sich meine Zimmertür. "Taanjaaa... come!" Jetzt bin ich endgültig wach. Ich schlurfe aus meinem Zimmer und setze mich an den Frühstückstisch. Verschlafen grinse ich Aunty und Deryl an: "Good morning!"

8.15 Uhr: Nachdem ich mein Geschirr gewaschen hab, stehe ich in meinem Zimmer und denke gleichzeitig darüber nach, was ich heute anziehen und was ich mit den Kindern in der Schule machen soll. Beides schwierige Entscheidungen.

8.40 Uhr: Frisch geduscht und mit einem groben Plan für die Schule im Kopf, hole ich die Zeitung aus dem Briefkasten. "Was mache ich denn jetzt noch so lange bis 9.30 Uhr?!" Ich könnte Tagebuch schreiben oder noch ein bisschen lesen. Oder ich lege mich einfach noch für ne halbe Stunde hin ;)

9.10 Uhr: Oh mist, jetzt aber schnell, Zähneputzen, Schminken, Haare machen, Tasche packen.

9.30 Uhr: Ich stürze aus dem Haus, halben Weg zum Tor fällt mir auf, dass ich den Schlüssel vergessen hab, also nochmal zurück. Freundlch bekannte Gesichter begrüßen mich auf dem Weg zur Bushaltstelle, wo ich auf die Lehrer warten soll.

9.37 Uhr: Mist der Bus ist schon weg. Also laufe ich ganz schnell, um die Lehrer noch einzuholen.

9.45 Uhr: "Hi... Good morning... sorry!" stoße ich etwas außer Atem hevor. Wissendes Lächeln breitet sich auf den Gesichtern der Lehrer aus. "What was the breakfast today?" Während mich diese Frage anfangs noch irritierte, sage ich jetzt gelassen "Avalaki, matte niwu?" (Avalaki und bei Ihnen?)

9.55 Uhr: Prayer in der Schule. alle Schüler sind in Reih und Glied aufgestellt. Zuerst singen Mädchen aus der 7. und 6. Klasse aus vollem Hals die Hymne von Karnataka, danach wird ein Gebet gesprochen, etwas aus der Zeitung vorgelesen und ein Quiz gemacht. Zum Abschluss wird eine Art Schulbekenntnis gesprochen (soweit wie ich das verstehen kann, so von wegen, "ich werde fleißig sein und Lernbereitschaft zeigen... und so)

10.05 Uhr: Erstmal Zeitung lesen im Lehrerzimmer.

10.40 Uhr: Die Klingel ertönt. Zeit für mich, die vierte Klasse zu übernehmen. "madam" hier "madam" da und natürlich "please, madam, pleeeease!"

12.35 Uhr: Die Klingel ertönt zur Mittagspause. Ich korrigiere noch Aufgaben von Schülern, während mir einer der Schüler einen Teller mit Reis und Gemüse bringt. Wenn alle Lehrer da sind, essen wir gemeinsam

13.15 Uhr: Ich sitze im Lehrerzimmer, warte auf das Ende der Pause und versuche zu verstehen, worüber sich die Lehrer unterhalten. Das klappt mittlerweile ganz gut, immerhin weiß ich immer grob worum es geht.

13.30 Uhr: Und weiter geht´s  mit dem Unterricht. Diesmal die 5. Klasse

15.35 Uhr: Das erlösende Klingeln für alle Schüler. Jetzt fängt die Spielstunde an, in der sich die Schüler draußen frei bewegen und Fuß-, Volley-, Federball oder das Cashewnut-game spielen. Meistens spiele ich mit Sachin aus der 7. Klasse Volleyball.

16.00 Uhr: Die Klingel ertönt und die Kinder reihen sich wieder auf zum Prayer, bei dem die indische Nationalhymne gesungen wird. Danach strömen alle Kinder fröhlich schnatternd nach Hause. "Bye teacher, bye madam!"

16.20 Uhr: Ich komme erschöpft zu Hause an und Aunty erzählt mir fröhlich schnatternd von ihrem Tag. Dann gibt sie mir die Reste vom Frühstück zu essen.

17.30 Uhr: Ich mache mich auf zum Strand, ein Buch und Musik in der Tasche. Auf dem Weg treffe ich viele bekannte Gesichter. Na Hallo wie geht´s denn so. Ach gehste wieder zum Strand, na dann wir sehen uns ...

19.45 Uhr: Ich komme zu Hause an. Es ist schon dunkel. Ich suche ewig nach dem Schlüssel für´s Tor, gebe es aber irgendwann auf und klettere über die Mauer. Leise öffne ich die Tür und schleiche in mein Zimmer. Ich will Aunty und Deryl nicht bei ihrem Gebet stören.

20.15 Uhr: Es gibt Essen. Reis und Fishcurry mit Gemüse. Aunty redet mit Deryl. Für mich ist es schwer etwas zu verstehen, da Konkani eine komplett andere Sprache ist. Manchmal übersetzt Aunty dann für mich.

20.30 Uhr: Die tägliche Serie startet. Aunty und Deryl sitzen gebannt vor dem Fernseher. In den Werbepausen singen Deryl und ich gemeinsam die Jingles mit. Ich sitze in meinem Zimmer und schreibe Tagebuch, lese oder telefoniere...

22.00 Uhr: "Taaanjaa, put off the light!" Schnell noch Zähne putzen. Und dann checke ich noch kurz meine Mails und telefoniere lange. Was soll man auch anderes machen ohne Licht?!

Also jetzt wisst ihr wie´s hier so zugeht. Ich lebe noch, mir geht es sehr gut und ich genieße das indische Leben hier.

Bye und Tata
Eure Tani

Dienstag, 26. Februar 2013

das Stadtkind in geliebten Gefilden

Eine Woche Mumbai war genauso faszinierend wie aufregend.
Voller Erwartungen bestiegen Jana und ich den Zug und fuhren den Sonnenuntergang beobachtend Richtung Stadt, das ländliche und uns vertraute Indien verlassend, auf in ein großes Abenteuer. Nach einer kurzen Nacht im Zug kamen wir morgens in Mumbai an. Vom Bahnhof aus mussten wir jetzt nur noch den Weg zur Wohnung des Freundes von Janas Eltern finden, der seit 10 Jahren in Mumbai lebt und seit einigen Jahren mit einer Inderin verheiratet ist. Nachdem uns der Taxifahrer abgezogen und uns dann auch noch am falschen Ort rausgelassen hatte, kamen wir dann doch irgendwie ans Ziel und wurden herzlich von Christopher und Sushmita empfangen. Zuersteinmal luden sie uns zum Bagel-Frühstücken ein. Mmh lecker, aber so gar nicht indisch.

So ich werde nun versuchen Euch nahe zu bringen, wie ich Mumbai wahrgenommen habe. Es ist eher ein Gefühl, das ich zu beschreiben versuche, als Erlebtes. Das erste, das mir einfällt ist, dass Mumbai endlich mal wieder Stadt war. Mir war nicht klar, dass ich das Stadtleben so vermissen würde. Aber als ich laute Straßen, viele verschiedene Menschen und Geschäfte und Shops in allen Farben und Größen um mich hatte, fühlte ich mich wohl. Dass nach 10 die Stadt erst so richtig aufblühte und nicht wie zu Hause alles schon lange schlief, war mir als Nachteule natürlich besonders willkommen. Auch dass uns auf der Straße nicht alle, sondern nur einige Blicke folgten, war erfrischend. Eine Freiheit, die ich bisher nur in der Stadt habe genießen könnten, fühlte ich auch in dieser Stadt. Ich fühlte mich als wäre alles möglich. Ich fühlte mich inspiriert. Nicht zuletzt auch durch einen Theaterbesuch, der mich so sehr an zu Hause erinnerte, dass es schon beinahe surreal wirkte. Ganz Mumbai wirkte surreal. Ein kleines Stück zu Hause im großen unbekannten Indien.
Das Gefühl, dort zu Hause zu sein, habe ich aber auch ohne Zweifel Christopher und Sushmita zu verdanken, die uns sehr freundlich und freundschaftlich aufgenommen, uns hilfreiche Tipps gegeben und uns zu einigen Veranstaltungen mitgenommen haben. Schon alleine, dass wir die ganze Zeit Deutsch sprachen, war etwas in Indien Ungewohntes für uns.
Auch das Essen war nicht typisch indisch. Wie schon erwähnt die Bagels, dann Cornflakes und Früchte zum Frühstück, leckeren italienischen Brunch von vormittags bis nachmittags und als Höhepunkt das all-you-can-eat-Sushi- und Chinesisch-Buffett. In Christophers und Sushmitas Gesellschaft fühlten wir uns wie in einer europäischen Blase, die wir wieder zerplatzen ließen als Jana und ich alleine unterwegs waren. Mit indischer Gelassenheit schlenderten wir durch Straßen, die zweifellos an portugiesische oder Spanische Straßen erinnerten. Wir schauten Sehenswürdigkeiten wie das Gateway of India oder die University of Mumbai an und reihten uns in die langen Chai-Schlangen vor den Businessgebäuden ein. An Straßenständen tranken wir aber nicht nur etliche Male am Tag Chai sondern probierten uns durch alle möglichen Köstlichkeiten durch. Jana ist der Meister im Handeln und verdrehte jedem Shopbesitzer den Verstand mit ihrer Hartnäckigkeit. Aber am Ende waren sie doch immer sehr zufrieden und hatten ihren Spaß am Handeln, genauso wie wir :) Deshalb waren unsere Rucksäcke auch deutlich schwerer auf dem Rückweg.
Mit unseren Kannada-Kenntnissen kamen wir leider nicht sehr weit. Wenn wir dann aber doch mal ein freundliches Gesicht aus Karnataka trafen, gab es großes Hallo auf beiden Seiten. In Mumbai fiel mir die Vielfalt der Inder extrem auf. Man musste sich nur für einige Minuten auf den Bahnhof stellen und beobachten wie Massen von Menschen aus dem Zug strömten, dann war einem klar wie viele verschiedene Menschen es nich nur in Indien, sondern auf der ganzen Welt geben musste. Das Zugfahren war auch eine Sache für sich. Wenn wir dann mal ein Frauenabteil gefunden hatten, in dem ein buntes Treiben von Businessfrauen bis hin zu traditionell Sari tragenenden Frauen herrschte und wo Schmuckverkäufer ihre Waren anpriesen, hatten wir viel zu sehen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Zuges. Die Stadt zog an uns vorbei, Slums schmiegten sich an beiden Seiten der Gleise, ihre Bewohner nur einige handbreit von uns entfernt. Alltägliches Leben spielte sich dort ab und ich empfand es als das Normalste der Welt. Eine Zugfahrt in den Süden der Stadt dauerte eine dreiviertel Stunde von Bandra aus, das zentral gelegen einer der "beliebteren" Stadtteile zu sein scheint. Mumbai ist wirklich riesig und von einem Ort zum anderen zu kommen, stellte sich manchmal als schwierig und sehr anstrengend heraus. Wenn Jana und ich dann nur noch durch die Straßen schlurften, musste ein Chai her, der uns wieder aufputschte. Dann waren wir wieder voller Energie und stürzten uns erneut euphorisch ins Stadtleben der 16-Millionen Stadt.

In Mumbai hatte ich eine wunderschöne Zeit mit Jana, an die ich mich gerne zurück erinnern werde. Und auch zurückkehren möchte ich in die Stadt, die mich fasziniert wie kaum eine andere.