Da bin ich wieder mit neuen Berichten aus dem Land, das mich immer wieder überrascht. Auch nach knapp drei Monaten kenne ich mich hier noch längst nicht mit allem aus.
Letzte Woche hatte ich mein 3-Monats-Seminar. Aber noch sind es nicht ganz drei Monate, die ich jetzt hier bin. Es kommt mir einerseits wie eine ewig lange Zeit vor, andererseits ist die Zeit so schnell vergangen, was mir ein bisschen Angst macht, wenn ich die nur acht Monate betrachte, die ich noch vor mir habe.
Das Seminar war ganz okay. Es war ganz gut, sich mal mit anderen auszutauschen, aber im Allgemeinen hat es mir nicht viel gebracht. Ich brauchte aber auch keine Hilfe. Mit meinem Koordinator Daya komme ich super klar. Er ist sehr ruhig, aber versteht mich gut. Er kümmert sich wirklich gut und er ist schon so nen kleiner Papa. Also da habe ich echt Glück gehabt, dass ich ihn erwischt habe.
Nach dem Seminar war ich noch mit anderen Freiwilligen in Manipal, um dort zu feiern. Manipal ist eine Studentenstadt, 15 Minuten von Udupi entfernt. Der Club, in dem wir waren, war sehr westlich. Allerdings hatte der Dance Floor nur eine Stunde geöffnet, was ich sehr befremdlich fand. Ich war auch ein wenig damit überfordert, dass alles so war, wie es war. Das war mir nicht genug Indien. Nachdem die Nacht im Club schon früh beendet war, gabelte uns ein superreicher Inder auf. Sein Hauptargument, warum wir ihm vertrauen sollten, war, dass er ein deutsches Auto fuhr, einen BMW. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich in meinem Leben zuvor schonmal in einem BMW saß. Hahhaha!
Er nahm uns mit zu seiner Strandvilla mit Privatstrand und Köchin, die uns sofort etwas kochte, als wir ankamen. Es war schon beeindruckend, das alles so zu sehen. Aber es war nicht unbedingt positiv. Die ganz simple Realität, dass es reiche und arme Menschen gibt, war auf einmal nicht mehr simpel. Ich empfand es in diesem Moment als äußerst ungerecht und ich fühlte mich fehl am Platz in dieser riesigen Villa.
Manipal hat mich nicht so überzeugt, es war nichts Halbes und nichts Ganzes. Es war nicht Indien, aber es war auch nicht Europa, es war eine Möchtegernmischung, die mir nicht gefallen hat. Deswegen war ich auch froh, als ich am Samstag wieder zu Hause in Trasi ankam, wo mich bekannte Gesichter freundlich auf der Straße begrüßten.
Am Abend nahm meine Aunty Laetitia und mich mit zu einer Function. Alles, was hier ein Fest ist heißt Function und aus jedem Anlass wird auch ne Function gemacht. Diesesmal war es der Vorabend einer Hochzeit. Der Bräutigam war ein Cousin 2. Grades meiner Aunty. Begleitet von Musik, Gebeten und viel Essen wurde er von allen nahen Verwandten an diesem Abend mit Kokosnussmilch übergossen, so dass er für den nächsten Tag gesegnet war. Es war ein sehr lustiges Fest und steigerte die Vorfreude auf die Hochzeit am nächsten Tag.
Die Hochzeitsmesse war eher langweilig, was wahrscheinlich daran lag, dass Laetitia und ich nichts verstanden. Dafür hatten wir umso mehr Zeit, die vielen bunten Saris näher zu betrachten. Als dann das eigentliche Programm anfing, mit Torte anschneiden, Goldkette umhängen und Hochzeitstanz war die Stimmung so ausgelassen, dass Laetitia und ich uns sogar ebenfalls dazu hinreißen ließen, indisch unsere Tanzbeine zu schwingen ;)
Nach dem Essen haben wir uns dann auf den Rückweg gemacht, auf dem uns lauthals lachend über das Erlebte unterhielten. Aber leider findet alles sein Ende. Es war Laetitias letzter Tag. Sie kam noch mit zur Dance Class, um sich auch von den Leuten dort zu verabschieden. Und dann stand unser Abschied an. Die letzten drei Monate hatte ich mit ihr verbracht, wir hatten so viel zusammen erlebt und ausgerechnet jetzt wo wir uns immer besser verstanden und sie wie eine Schwester für mich war, war ihre Zeit um. Dementsprechend indisch herzzerreißend war auch unser Abschied!
Am Abend war ich dann ungewohnter Weise ganz alleine in meinem Zimmer. Das war auf einmal ein ganz neues Gefühl. Meine Gastschwester Deryl wirkte ebenfalls ein wenig betrübt. Laetitia wird uns beiden hier schon fehlen mit ihrer fröhlich verrückten Art.
Am nächsten Tag, als wäre es noch nicht genug mit den ganzen Functions, stand die nächste an. Allerdings hatte diese keinen fröhlichen Anlass. Es war die Ein-Jahr-Todes-Tags-Function vom Vater meiner Aunty. Wieder ein Gottesdienst, Gebete am Grab und Essen. Leider konnte ich die Veranstaltung nicht ganz so genießen, sofern man eine Veranstaltung zu solch einem Anlass genießen kann. Ich bin in der Kirche erstmal abgeklappt, hab ja ohnehin wieder nichts verstanden. Also hab ich nicht viel verpasst. Aber macht euch keine Sorgen, mir geht es wieder gut, ich kenn mich ja schon aus mit Ohnmacht. Außerdem haben sich alle sehr rührend um mich gekümmert: "What happened, are you okay now?! Yesterday you were dancing so nice and today you are so weak!?" Hahaha. Na immerhin konnten sie sich daran erinnern, dass ich schön getanzt hab. ;)
Das waren sie also die indischen Functions. Heute haben wir immernoch von dem übrig gebliebenen Fish Curry gegessen.
Nächste Woche bin ich schon wieder zu einer Hochzeit eingeladen, diesmal eine Hinduhochzeit im Tempel. Da bin ich schon sehr gespannt drauf.
Am Dienstag und heute war ich nach der Schule am Strand, hab den Sonnenuntergang bewundert und getanzt.
In der Schule läuft es super. Die Kinder verstehen meistens, was ich von ihnen will oder sie tun netter Weise so und nicken mit indischem Kopfgewackel. In der letzten Stunde spiele ich mit den Kindern dann immer Federball, Volleyball oder heiße Kartoffel. Das ist immer sehr amüsant.
Was es noch zu sagen gibt:
Mittlerweile treffe ich, sobald ich vor die Tür gehe, Leute, die ich kenne. Entweder aus der Schule, von der Dance Class oder von irgendwelchen Functions ;)
Die indischen Werbeslogans kann ich schon mitsingen, obwohl ich noch nie einen gesehen habe.
Jeden Tag übe ich Kannada-Buchstaben zu schreiben und diese Schrift wird nicht umsonst Popcorn-Schrift genannt ;)
Die Buspreise sind um 2 Rupien angestiegen.
Auf die Frage "What do you know about England?" sagte ein Schüler "Pig!" und schaute mich ganz erwartungsvoll an, damit ich ihm die Antwort als richtig bestätigte.
Nach drei Monaten bin ich auch auf dem Geschmack gekommen, Nightys zu tragen. Das sind lange Oma-Nachhemden in allen möglichen Farben und Mustern.
Das Kopfwackeln habe ich schon übernommen. Es war sogar das erste, was ich tat als ich aus meiner Ohnmacht aufwachte, um meiner Aunty zu sagen, dass es mir gut geht.
"okay, okay" + Kopfwackeln, so kommuniziere ich hier den ganzen Tag. Oder ich sage "Ja Boaa!" um meine Verwunderung auszudrücken ;D
Tata! Bye und Kopfgewackel!
Eure Tani
Letzte Woche hatte ich mein 3-Monats-Seminar. Aber noch sind es nicht ganz drei Monate, die ich jetzt hier bin. Es kommt mir einerseits wie eine ewig lange Zeit vor, andererseits ist die Zeit so schnell vergangen, was mir ein bisschen Angst macht, wenn ich die nur acht Monate betrachte, die ich noch vor mir habe.
Das Seminar war ganz okay. Es war ganz gut, sich mal mit anderen auszutauschen, aber im Allgemeinen hat es mir nicht viel gebracht. Ich brauchte aber auch keine Hilfe. Mit meinem Koordinator Daya komme ich super klar. Er ist sehr ruhig, aber versteht mich gut. Er kümmert sich wirklich gut und er ist schon so nen kleiner Papa. Also da habe ich echt Glück gehabt, dass ich ihn erwischt habe.
Nach dem Seminar war ich noch mit anderen Freiwilligen in Manipal, um dort zu feiern. Manipal ist eine Studentenstadt, 15 Minuten von Udupi entfernt. Der Club, in dem wir waren, war sehr westlich. Allerdings hatte der Dance Floor nur eine Stunde geöffnet, was ich sehr befremdlich fand. Ich war auch ein wenig damit überfordert, dass alles so war, wie es war. Das war mir nicht genug Indien. Nachdem die Nacht im Club schon früh beendet war, gabelte uns ein superreicher Inder auf. Sein Hauptargument, warum wir ihm vertrauen sollten, war, dass er ein deutsches Auto fuhr, einen BMW. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich in meinem Leben zuvor schonmal in einem BMW saß. Hahhaha!
Er nahm uns mit zu seiner Strandvilla mit Privatstrand und Köchin, die uns sofort etwas kochte, als wir ankamen. Es war schon beeindruckend, das alles so zu sehen. Aber es war nicht unbedingt positiv. Die ganz simple Realität, dass es reiche und arme Menschen gibt, war auf einmal nicht mehr simpel. Ich empfand es in diesem Moment als äußerst ungerecht und ich fühlte mich fehl am Platz in dieser riesigen Villa.
Manipal hat mich nicht so überzeugt, es war nichts Halbes und nichts Ganzes. Es war nicht Indien, aber es war auch nicht Europa, es war eine Möchtegernmischung, die mir nicht gefallen hat. Deswegen war ich auch froh, als ich am Samstag wieder zu Hause in Trasi ankam, wo mich bekannte Gesichter freundlich auf der Straße begrüßten.
Am Abend nahm meine Aunty Laetitia und mich mit zu einer Function. Alles, was hier ein Fest ist heißt Function und aus jedem Anlass wird auch ne Function gemacht. Diesesmal war es der Vorabend einer Hochzeit. Der Bräutigam war ein Cousin 2. Grades meiner Aunty. Begleitet von Musik, Gebeten und viel Essen wurde er von allen nahen Verwandten an diesem Abend mit Kokosnussmilch übergossen, so dass er für den nächsten Tag gesegnet war. Es war ein sehr lustiges Fest und steigerte die Vorfreude auf die Hochzeit am nächsten Tag.
Die Hochzeitsmesse war eher langweilig, was wahrscheinlich daran lag, dass Laetitia und ich nichts verstanden. Dafür hatten wir umso mehr Zeit, die vielen bunten Saris näher zu betrachten. Als dann das eigentliche Programm anfing, mit Torte anschneiden, Goldkette umhängen und Hochzeitstanz war die Stimmung so ausgelassen, dass Laetitia und ich uns sogar ebenfalls dazu hinreißen ließen, indisch unsere Tanzbeine zu schwingen ;)
Nach dem Essen haben wir uns dann auf den Rückweg gemacht, auf dem uns lauthals lachend über das Erlebte unterhielten. Aber leider findet alles sein Ende. Es war Laetitias letzter Tag. Sie kam noch mit zur Dance Class, um sich auch von den Leuten dort zu verabschieden. Und dann stand unser Abschied an. Die letzten drei Monate hatte ich mit ihr verbracht, wir hatten so viel zusammen erlebt und ausgerechnet jetzt wo wir uns immer besser verstanden und sie wie eine Schwester für mich war, war ihre Zeit um. Dementsprechend indisch herzzerreißend war auch unser Abschied!
Am Abend war ich dann ungewohnter Weise ganz alleine in meinem Zimmer. Das war auf einmal ein ganz neues Gefühl. Meine Gastschwester Deryl wirkte ebenfalls ein wenig betrübt. Laetitia wird uns beiden hier schon fehlen mit ihrer fröhlich verrückten Art.
Am nächsten Tag, als wäre es noch nicht genug mit den ganzen Functions, stand die nächste an. Allerdings hatte diese keinen fröhlichen Anlass. Es war die Ein-Jahr-Todes-Tags-Function vom Vater meiner Aunty. Wieder ein Gottesdienst, Gebete am Grab und Essen. Leider konnte ich die Veranstaltung nicht ganz so genießen, sofern man eine Veranstaltung zu solch einem Anlass genießen kann. Ich bin in der Kirche erstmal abgeklappt, hab ja ohnehin wieder nichts verstanden. Also hab ich nicht viel verpasst. Aber macht euch keine Sorgen, mir geht es wieder gut, ich kenn mich ja schon aus mit Ohnmacht. Außerdem haben sich alle sehr rührend um mich gekümmert: "What happened, are you okay now?! Yesterday you were dancing so nice and today you are so weak!?" Hahaha. Na immerhin konnten sie sich daran erinnern, dass ich schön getanzt hab. ;)
Das waren sie also die indischen Functions. Heute haben wir immernoch von dem übrig gebliebenen Fish Curry gegessen.
Nächste Woche bin ich schon wieder zu einer Hochzeit eingeladen, diesmal eine Hinduhochzeit im Tempel. Da bin ich schon sehr gespannt drauf.
Am Dienstag und heute war ich nach der Schule am Strand, hab den Sonnenuntergang bewundert und getanzt.
In der Schule läuft es super. Die Kinder verstehen meistens, was ich von ihnen will oder sie tun netter Weise so und nicken mit indischem Kopfgewackel. In der letzten Stunde spiele ich mit den Kindern dann immer Federball, Volleyball oder heiße Kartoffel. Das ist immer sehr amüsant.
Was es noch zu sagen gibt:
Mittlerweile treffe ich, sobald ich vor die Tür gehe, Leute, die ich kenne. Entweder aus der Schule, von der Dance Class oder von irgendwelchen Functions ;)
Die indischen Werbeslogans kann ich schon mitsingen, obwohl ich noch nie einen gesehen habe.
Jeden Tag übe ich Kannada-Buchstaben zu schreiben und diese Schrift wird nicht umsonst Popcorn-Schrift genannt ;)
Die Buspreise sind um 2 Rupien angestiegen.
Auf die Frage "What do you know about England?" sagte ein Schüler "Pig!" und schaute mich ganz erwartungsvoll an, damit ich ihm die Antwort als richtig bestätigte.
Nach drei Monaten bin ich auch auf dem Geschmack gekommen, Nightys zu tragen. Das sind lange Oma-Nachhemden in allen möglichen Farben und Mustern.
Das Kopfwackeln habe ich schon übernommen. Es war sogar das erste, was ich tat als ich aus meiner Ohnmacht aufwachte, um meiner Aunty zu sagen, dass es mir gut geht.
"okay, okay" + Kopfwackeln, so kommuniziere ich hier den ganzen Tag. Oder ich sage "Ja Boaa!" um meine Verwunderung auszudrücken ;D
Tata! Bye und Kopfgewackel!
Eure Tani